Physiotherapie bei CF – alles andere als gewöhnlich
- Menschen mit zystischer Fibrose benötigen eine intensive physiotherapeutische Betreuung.
- Ziel ist es, die Lebensqualität Betroffener durch eine ganzheitliche Betrachtungsweise und individuell angepasste Maßnahmen zu verbessern.
- Physiotherapie ist aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes ein essenzieller Bestandteil der CF-Behandlung.
Menschen mit
Eine konventionelle Physiotherapie – zum Beispiel anlässlich einer Gelenksarthrose – beschränkt sich oft auf kurzfristige Interventionen. Die PatientInnen erhalten dann eine Heilmittelverordnung mit in der Regel sechs Behandlungseinheiten, von denen jede üblicherweise 20 Minuten dauert und ein überschaubares Spektrum an Maßnahmen beinhaltet. Je nach Verlauf werden möglicherweise noch ein oder zwei weitere Verordnungen ausgestellt, länger als ein Vierteljahr sehen sich Behandelnde und Betroffene aber selten. Anders ist dies, wenn die Physiotherapie wegen einer zystischen Fibrose verordnet wird.
Viel Zeit für individuelle Behandlung
„Bei dieser Indikation geht es eben nicht nur um ein Organ oder ein Gelenk, sondern immer um den ganzen Menschen“, sagt Marlies Ziegler, die in München seit vielen Jahren eine Physiotherapiepraxis mit Schwerpunkt Atemphysiotherapie betreibt. „Das führt dazu, dass praktisch keine zwei Behandlungen identisch sind.“ Ein weiterer Unterschied zu üblicheren Indikationen: „Als CF-spezialisierte Physiotherapeutin bin ich Mitglied eines interdisziplinären Teams und tausche mich auf Augenhöhe mit anderen an der Behandlung beteiligten Fachgruppen aus.“ Und schließlich ist da noch die Dauer der Behandlungseinheiten. „Dadurch, dass wir jedes Mal eine Stunde Zeit haben, können wir mit Ruhe und Qualität die einzelnen Bausteine der Behandlung bedienen und auch den kleinen PatientInnen die nötigen Spielräume geben“, sagt Stephanie Hentschel, Physiotherapeutin am iSPZ (integriertes Sozialpädiatrisches Zentrum) Hauner in München.
Die Rolle der TherapeutInnen
Ganzheitlich unterstützen, das heißt: Stephanie Hentschel und Marlies Ziegler bringen ihren PatientInnen nicht nur das Inhalieren oder Techniken zur Reinigung der Atemwege bei. Sie helfen bei der Therapieumsetzung im Alltag und tragen durch Erklären und Aufzeigen von pathophysiologischen und medizinischen Zusammenhängen zum Verständnis notwendiger therapeutischen Interventionen bei, binden bei jüngeren Betroffenen die Eltern mit ein und sind gelegentlich auch AnsprechpartnerInnen für die ganz großen Themen. „Da wird man zum Beispiel gefragt, wie das mit einer Schwangerschaft unter den Bedingungen einer Mukoviszidose so ist“, erinnert sich Marlies Ziegler. Es liegt auf der Hand, dass CF-PhysiotherapeutInnen damit einen besonderen Stellenwert im Leben der Betroffenen haben. „Wir sind WegbegleiterInnen und BeraterInnen, und bilden im Idealfall mit den PatientInnen zusammen ein richtiges Team“, bestätigt Marlies Ziegler.
Herausforderungen auf fachlicher und persönlicher Ebene
Diese manchmal lebenslange Begleitung ist eine Herausforderung für das therapeutische Personal. „Man muss sich bewusst sein, dass man Menschen mit einer chronisch fortschreitenden Erkrankung betreut – von ganz klein bis groß“, so Marlies Ziegler. „Die Kinderbehandlung durch die Alters- und Entwicklungsstufen hindurch erfordert Wissen um die kindliche Entwicklung und die Besonderheiten, die die Behandlung von Kindern mit sich bringt. Wenn die Betroffenen dann älter werden, ist damit zu rechnen, dass ihr Zustand schlechter wird, und man muss immer wieder schauen: In welcher Situation befinden sie sich momentan? Was steht gerade im Vordergrund, wie kann ich jetzt unterstützen?“ – „Das komplexe Krankheitsbild inklusive individueller Belastungsfaktoren zu kennen, zu wissen, was neben den Inhalten der Physiotherapie an medikamentöser und ärztlicher Behandlung notwendig und wünschenswert ist, stellt eine Grundvoraussetzung für unsere Arbeit dar“, ergänzt Stephanie Hentschel.
Neben diesen fachlichen Herausforderungen gibt es auch persönliche. „Die TherapeutInnen-PatientInnen-Beziehung kann über die Zeit intensiv werden, es ist daher essenziell, sich abgrenzen zu können“, betont Marlies Ziegler.
Physiotherapie in Zeiten der CFTR-Modulatoren
Nun gibt es seit einiger Zeit moderne Medikamente, die nicht einfach nur die Symptome eindämmen, sondern an der Ursache der Erkrankung ansetzen. Hat das möglicherweise auch Konsequenzen für die CF-spezifische Physiotherapie? „Wir sehen schon positive Effekte“, sagt Stephanie Hentschel. „Eltern berichten beispielsweise, dass ihre Kinder mehr Energie haben, aktiver sind und ausdauernd Freude an körperlichen Aktivitäten haben. Und wir sehen ältere Erwachsene mit bereits stark eingeschränkter Lungenfunktion, die deutlich an Lebensqualität gewinnen.“
Gleichzeitig sind sich beide Therapeutinnen aber einig, dass die Physiotherapie vorerst ein essenzieller Bestandteil der Behandlung bleiben wird, und sie ermuntern den therapeutischen Nachwuchs, sich auf die Behandlung von Menschen mit zystischer Fibrose einzulassen. Für Stephanie Hentschel besteht ein guter Einstieg darin, sich zunächst mit dem Krankheitsbild zu beschäftigen und die praktischen Kompetenzen über Weiterbildungen und Fortbildungen kontinuierlich zu erweitern. Und Marlies Ziegler greift auf ihre eigene Erfahrung zurück: „Es ist bereichernd, sich der Komplexität des Krankheitsbildes zu stellen. Sich heranzuwagen, die Beziehung zwischen Atempumpe und Lunge kennen- und verstehen zu lernen ermöglicht auch den Einsatz vieler Techniken aus anderen Bereichen der Physiotherapie, um die PatientInnen zu unterstützen.“
CF-spezifische Physiotherapie – eine wertvolle Aufgabe
Dass sie viel Gutes bewirken, das erleben die beiden Therapeutinnen immer wieder aufs Neue. „Für uns steht im Vordergrund, den Erkrankten das Leben mit CF zu erleichtern. Und wenn man dann beim Inhalieren oder bei der autogenen Drainage die richtigen Ideen hat und sich PatientInnen dadurch besser fühlen, dann ist das wirklich erfüllend“, sagt Marlies Ziegler. „Mich berührt auch, wie viel Vertrauen uns die Betroffenen beziehungsweise die Eltern entgegenbringen.“
CF Physio-App – Einsatz in der Therapie
Die CF Physio-App ist ein digitaler Trainingsbegleiter, der PhysiotherapeutInnen in der Behandlung von Menschen mit CF unterstützt. In der App sind zahlreiche Übungen hinterlegt, sodass auch weniger CF-erfahrene TherapeutInnen eine gute Grundlage für die Behandlung haben. Darüber hinaus kann das Basisprogramm um weitere, ganz individuell abgestimmte Übungen ergänzt werden – die App lässt sich so an das jeweils aktuelle Krankheitsgeschehen anpassen. Diverse weitere Funktionen unterstützen die Betroffenen darin, ihr Programm auch dann fortzuführen, wenn gerade keine Therapietermine anstehen. Und schließlich sind die Anleitungen auch in einer kindgerechten Form abrufbar und motivieren kleine PatientInnen zum Mitmachen. „Ich nutze die CF Physio-App ausgesprochen gerne“, resümiert die erfahrene Atemphysiotherapeutin Marlies Ziegler. Sehen Sie im Video, wie sie die App in ihre CF-Behandlung integriert.
CF-Wissen für Ihre PatientInnen
Je besser Betroffene und Angehörige über zystische Fibrose informiert sind, desto positiver lassen sich der Krankheitsverlauf und die Lebensqualität beeinflussen. Deshalb bieten wir im öffentlichen Bereich von CFSource.de umfassende und verständliche Informationen zur CF und zum alltäglichen Umgang mit der Erkrankung an – damit PatientInnen zu ExpertInnen in eigener Sache werden können.
Physiotherapie bei CF – Informationen für Betroffene
Menschen mit CF erfahren hier, was alles zur CF-spezifischen Physiotherapie gehört und warum sie so wichtig ist. Es werden gängige Begriffe erläutert und die wichtigsten Maßnahmen vorgestellt. Denn wer seine Krankheit und ihre Behandlung versteht, tut sich auch leichter, die notwendige Therapietreue aufzubringen.
Sport und Bewegung – was Betroffene selbst tun können
Sport und Bewegung können dazu beitragen, den Krankheitsverlauf bei zystischer Fibrose zu verbessern und die Lebensqualität zu steigern. Hier erfahren PatientInnen mehr zu diesem Thema, und Betroffene zeigen in kurzen Videos, wie sie körperliche Aktivität und die Atemwegsphysiotherapie ohne großen Aufwand in den Alltag integrieren.
„Physiotherapie und Sport“ und weiteres Infomaterial
Im Service-Bereich finden Betroffene sowie TherapeutInnen hilfreiches Infomaterial rund um CF. So enthält etwa die Broschüre "Physiotherapie und Sport" neben allgemeinen Informationen auch Vorschläge für Übungen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, die in die persönliche Physiotherapie-Routine integriert werden können.
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Bell SC et al. The Future of Cystic Fibrosis Care: A Global Perspective. Lancet Respir Med. 2020;8(1):65-124.
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International Physiotherapy Group for Cystic Fibrosis. Physiotherapy for people with cystic fibrosis: from infant to adult. 7th edn. 2019.